1. Allgemeines
Am 5.12.2007 hat der Nationalrat unter anderem das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BRÄG 2008) verabschiedet, das grundsätzlich mit1.1.2008 in Krafttritt und in das auch die seit gut zwei Jahren diskutierten Änderungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) und des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG) eingebettet sind.
Der durch die Rechtsentwicklung der Europäischen Union bewirkte Anpassungsbedarf machte eine rasche Novellierung des § 34 GebAG notwendig. Diese wurde dazu genutzt, auch andere Bereiche des Gebührenanspruchsrechts umzugestalten. So wurde die Warnpflicht (§ 25 GebAG) neu geregelt. Neben einer Änderung bei der Regelung der sonstigen Kosten (§ 31 GebAG) wurde der ansonsten unveränderte Ärztetarif (§ 43 GebAG) in drei Punkten geändert. Im Verfahrensrecht erfolgte eine Einbeziehung der Revisoren auch im Strafverfahren (§ 40 GebAG). Die Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens und die damit eingeführte Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, Sachverständige zu bestellen, machte Adaptierungen im Recht der Gebührenbestimmung erforderlich (§ 52 GebAG). Schließlich wurde im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz die Möglichkeit eines Gutachtens über den Zertifizierungsumfang (§ 4b SDG) geschaffen, der Stellenwert der Fortbildung bei der Rezertifizierung betont (§ 6 SDG) und ein Schutz der Bezeichnung als Gerichtssachverständige eingeführt (§ 14b SDG).
Obwohl die Richtung der Reform grundsätzlich bekannt war und die Verbände der Gerichtssachverständigen im Gesetzwerdungsprozess weit gehend einbezogen waren, blieben Details der Regelungen bis zuletzt offen. Dies und die Notwendigkeit einer raschen Information haben zur Folge, dass eine grundlegende und umfassende Auseinandersetzung mit dem Gesamtkomplex der Neuerungen erst vorzunehmen ist.
Im Folgenden werden die neuen Bestimmungen vorgestellt. Hier finde Sie den Text der Änderungen, die am 28.12.2007 kundgemacht wurden (BGBl I 2007/111). Die ab 1.1.2008 geltende Fassung der beiden geänderten Gesetze finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage: SDGGebAG
2. Änderungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG)
Warnpflicht (§ 25)
Der bisher in den beiden letzten Sätzen des § 25 Abs 1 geregelten Warnpflicht der Sachverständigen wird nun ein eigener Absatz (§ 25 Abs 1a) gewidmet. Nach der neuen Regelung orientiert sich die Hinweispflicht zunächst am erliegenden Kostenvorschuss und erst in Ermangelung eines solchen am Streitwert oder an absoluten Beträgen, die für bezirksgerichtliche Verfahren mit 2.000 €, für Verfahren vor dem Landesgericht und für das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft mit 4.000 € festgelegt werden. Eine Erheblichkeitsgrenze ist nicht mehr vorgesehen, sodass sorgfältig darauf zu achten ist, dass die voraussichtlichen Kosten die genannten Größen keinesfalls übersteigen.
Neu ist, dass das Gericht oder die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen oder die Sachverständige anlässlich des Auftrags von der Verpflichtung zur Warnung befreien kann. Weiters können nun in dringenden Fällen unaufschiebbare Tätigkeiten auch schon vor der Warnung oder dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden.
Sonstige Kosten (§ 31)
Die wesentliche Bedeutung der Neugestaltung des § 31 liegt darin, dass diese Bestimmung nunmehr eine taxative (erschöpfende) Aufzählung enthält, wie sich aus dem Wort „ausschließlich“ ergibt. Damit entfällt die bisher gegebene Möglichkeit, die Aufzählung um darin nicht geregelte Fälle zu erweitern. Den dagegen vorgetragenen Bedenken wurde zumindest dadurch Rechnung getragen, dass die immer wieder als besonders problematischerörterten Fälle wie die im Einzelfall notwendige höhere Versicherung oder der ausnahmsweise bestehende Bedarf nach Großräumlichkeiten nunmehr ausdrücklich im Gesetz erwähnt sind.
Weiters wird nun in Abs 1 ausdrücklich angeordnet, dass nur die mit der Erfüllung des jeweiligen Gutachtensauftrags notwendigerweise verbundenen variablen Kosten, nicht aber Fixkosten zu ersetzen sind.
Hervorzuheben ist weiters, dass es nun beim Ersatz der Kosten für die Benützung der nicht selbst beigestellten, besonderen fallspezifischen Hilfsmittel, Werkzeuge, Programme und Geräte (§ 31 Abs 1 Z 4) darauf ankommt, dass sie nicht zur üblichen Grundausstattung von in diesem Fachgebiet tätigen Sachverständigen gehören. Beim Ersatz der Entgelte und Gebühren für Leistungen und Dienste, die für Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch die Sachverständigen notwendig sind (§ 31 Abs 1 Z 5), ist es nun Voraussetzung, dass sie die Sachverständigen üblicherweise nicht selbst erbringen und dass sie auch nicht zur üblichen Grundausstattung und Infrastruktur der in diesem Fachgebiet tätigen Sachverständigen gehören. Als Anwendungsfälle und insofern wieder nicht taxtativ („insbesondere“) werden Porto, Transportkosten, Kosten für Fremduntersuchungen und –analysen, Pflegegebühren, durch die Besonderheit des Auftrags zusätzlich erforderliche Versicherungsprämien, Kosten für Großräumlichkeiten, für den Erwerb rein fallspezifischen Zusatzwissens und für Übersetzungen aufgezählt.
Sinnvollerweise gebührt die Schreibgebühr nun nicht nur für die Übertragung oder das Reinschreiben von Befund und Gutachten einschließlich der Beilagen, sondern auch für die von den Sachverständigen im Zuge ihrer Tätigkeit auszufertigenden Schriftstücke, also etwa auch für Einladungen zum Augenschein oder Anforderung von Unterlagen (§ 31 Abs 1 Z 3).
Der neu angefügte Abs 2 stellt klar, dass alle anderen als die in Abs 1 aufgezählten Aufwendungen mit der Gebühr für Mühewaltung abgegolten sind.
Gebühr für Mühewaltung (§ 34)
Im Eingangssatz des § 34 Abs 1 wird nun ausdrücklich betont, dass die Gebühr für Mühewaltung alle im Zusammenhang mit der Erstattung von Befund und Gutachten entstandenen Kosten abdeckt, soweit dafür nicht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ein gesonderter Ersatz vorgesehen ist. Das bewährte System des Gebühren-Splittings wird grundsätzlich beibehalten. Der in § 34 Abs 2 außerhalb der Tarife des GebAG vorzunehmende Abschlag wird mit 20 % vorgegeben, eine Bestimmung in der vollen Höhe der außergerichtlichen Einkünfte (vgl die derzeit in § 34 Abs 2 Z 1 - 3 geregelten Fälle) ist nicht mehr möglich.
Der neu gefasste § 34 Abs 3 schließt die durch den Entfall der bisher in Abs 4 angeführten Gebührenordnungen, Richtlinien und Empfehlungen entstehende Lücke durch die Schaffung eigener Rahmengebühren, die dann zur Anwendung kommen, soweit nicht anderes nachgewiesen wird oder eigene gesetzlich vorgesehene Gebührenordnungen bestehen. In diesem Fall gelten für die Einkünfte, die Sachverständige im außergerichtlichen Erwerbsleben für ihre Gutachtenstätigkeit üblicherweise beziehen, folgende Rahmensätze pro angefangener Stunde:
- Tätigkeiten, die keine nach Z 2 oder 3 qualifizierten fachlichen Kenntnisse erfordern, 20 bis 60 €;
- Tätigkeiten, die hohe fachliche Kenntnisse erfordern, welche durch den Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule oder eine gleichwertige Berufsvorbildung vermittelt werden, 50 bis 100 €;
- Tätigkeiten, die besonders hohe fachliche Kenntnisse erfordern, welche durch ein Universitätsstudium oder eine gleichwertige Vorbildung vermittelt werden, 80 bis 150 €.
Innerhalb der Rahmen ist die Gebühr je nach der konkret erforderlichen Qualifikation der oder des beauftragten Sachverständigen, der Schwierigkeit des aufgetragenen Befundes oder Gutachtens und der Ausführlichkeit der notwendigen Begründung zu bestimmen.
Zu betonen ist, dass auch weiterhin die Möglichkeit besteht, (höhere) außergerichtliche Einkünfte für eine gleiche oder ähnlicheTätigkeit (zB als Privatgutachter) nachzuweisen.
Beziehen Sachverständige für gleiche oder ähnliche außergerichtliche Tätigkeiten Honorar nach einer gesetzlich vorgesehenen Gebührenordnung, so sind die darin enthaltenen Sätze als das anzusehen, was die Sachverständigen im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise beziehen, soweit nicht anderes nachgewiesen wird (§ 34 Abs 4).
So wie bisher ist § 273 ZPO (Festsetzung nach freier richterlicher Überzeugung) sinngemäß anzuwenden, wenn die Feststellung der für eine gleiche oder ähnliche außergerichtliche Tätigkeit von Sachverständigen üblicherweise bezogenen Einkünfte einen unverhältnismäßigen Verfahrensaufwand erforderte (§ 34 Abs 5).
Änderungen im Ärztetarif (§ 43)
In § 43 Abs 1 Z 1 lit d und e wird jeweils den Fällen der körperlichen, neurologischen oder psychiatrischen Untersuchung der Fall der Untersuchung zur Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann (Prognosegutachten im Unterbringungsverfahren) an die Seite gestellt und damit entsprechend honoriert.
Mit der Streichung des § 43 Abs 1 Z 1 lit f wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die dort genannten Reihenuntersuchungen im Anhalteverfahren aufgrund der durch das Unterbringungsgesetz und durch das Sachwaltergesetz überholt waren.
§ 43 Abs 1 Z 2 wird eine neue lit e angefügt, die für die Nutzung von externen Untersuchungsräumlichkeiten (einschließlich Infrastruktur) im Rahmen der Leichenöffnung (Obduktion) Sätze von 130 € sowie bei Veränderung der Leiche durch Fäulnis oder nachEnterdigung von 180 € vorsieht.
Revisoren im Strafverfahren
Die Neufassung des § 40 Abs 1 dehnt die Parteistellung der Revisoren auf das Strafverfahren aus, womit diese die bisher der Staatsanwaltschaft obliegende Rolle übernehmen. Dem wird durch Anpassung der Verfahrensvorschriften der §§ 38, 39 und 41 Rechnung getragen.
Anpassungen an das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 52)
Da im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nunmehr Sachverständige auch durch die Staatsanwaltschaft bestellt werden können, wird das Gebührenbestimmungsverfahren dahin modifiziert, dass diese nicht mehr Partei des Verfahrens zur Gebührenbestimmung ist. Die Staatsanwaltschaft tritt vielmehr zunächst an die Stelle des Gerichts (§ 52 Abs 1) und hat der Revisorin oder dem Revisor sowie jenen Personen, gegen die sich das Verfahren richtet, den Gebührenantrag zur Äußerung binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht übersteigenden Frist zu übermitteln. Allenfalls hat sie ein dem § 39 Abs 1 nachgebildetes Verbesserungsverfahren zu führen (§ 52 Abs 2). Werden innerhalb der Frist keine Einwendungen erhoben oder verzichten die genannten Personen auf Einwendungen, und hegt die Staatsanwaltschaft selbst keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren, ordnet sie die Auszahlung der verzeichneten Gebühren aus Amtsgeldern an. Andernfalls stellt sie bei dem für das Ermittlungsverfahren zuständigen Gericht den Antrag auf Bestimmung der Gebühr (§ 52 Abs 3). Die Staatsanwaltschaft ist nach § 52 Abs 4 auch zur Gewährung eines Vorschusses zuständig.
3. Änderungen des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG)
Gutachten über den Zertifizierungsumfang (§§ 4b, 6 Abs 3, 10 Abs 4)
Die zahlreichen Änderungen der letzten Jahre haben im Lauf der Zeit zu zahlreichen Anfragen der Gerichtshofpräsidentinnen und –präsidenten geführt, die den konkreten Zertifizierungsumfang von Sachverständigen vor dem Hintergrund geänderter Nomenklatur zum Inhalt hatten. § 4b schafft nun dafür eine entsprechende Grundlage: Ergeben sich durch spätere Änderungen des Fachgebiets, für das die oder der Sachverständige in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen ist, begründete Zweifel, ob die Eintragung den Zertifizierungsumfang(noch) korrekt wiedergibt oder ob eine beantragte Eintragung in weitere Fachgebiete dem Zertifizierungsumfang entspricht, so kann das Entscheidungsorgan darüber ein Gutachten der Kommission (§ 4a) oder eine schriftliche Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission einholen. Wird das Gutachten oder die Äußerung auf Antrag einer oder eines Sachverständigen eingeholt, so hat diese oder dieser vor Ablegung einer Prüfung Prüfungsgebühren (§ 4a Abs. 3) zu entrichten, ansonsten aber die Vergütung für die schriftliche Äußerung des einzelnen Mitglieds zu tragen (§ 4b Abs 1).
Die Gebührenpflicht ist Konsequenz des dabei entstehenden Aufwands. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen dazu aus, dass sie nur ausgelöst wird, wenn der Antrag der oder des Sachverständigen erkennen lässt, dass es sich nicht um einen bloßen Hinweis auf eine falsche oder falsch gewordene Bezeichnung handelt, die das Entscheidungsorgan an sich schon von Amts wegen aufzugreifen hätte. Kann die Unklarheit durch das Entscheidungsorgan etwa schon durch einen Anruf beim Hauptverband der Gerichtssachverständigen beseitigt werden, ohne dass eine formelle (schriftliche) Äußerung des Kommissionsmitglieds erforderlich ist, soll kein Gebührenanspruch für diese Auskunft entstehen.
Ergibt das Gutachten oder die Äußerung, dass sich der Zertifizierungsumfang mit der Bezeichnung des Fachgebiets nicht (mehr) deckt, so hat das Entscheidungsorgan eine entsprechende Einschränkung einzutragen oder die Eintragung in weitere Fachgebiete von der Durchführung des Eintragungsverfahrens (§§ 4 und 4a) abhängig zu machen (§ 4b Abs 2).
Die Möglichkeit der Einholung einer Äußerung wird auch in den Fällen der Rezertifizierung (§ 6 Abs 3 SDG) und des Entziehungsverfahrens (§ 10 Abs 4) eingeräumt.
Betonung des Stellenwerts der Fortbildung (§ 6 Abs 3)
Nach § 6 Abs 3 hat nunmehr der Antrag auf Rezertifizierung einen Hinweis auf die absolvierten Fortbildungsaktivitäten zu enthalten. Die weitere Eignung der oder des Sachverständigen ist unter anderem anhand der Nachweise über die Fortbildung zu prüfen. Damit wird der Stellenwert der für Sachverständige unabdingbaren Fortbildung betont und die schon jetzt gegebene Bedeutung der Institution des Bildungs-Passes für Sachverständige eindrucksvoll unterstrichen.
Schutz der Bezeichnung als Gerichtssachverständige (§ 14b)
Nach § 14b Abs 1 dürfen sich als Gerichtssachverständige sowie als allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert nur jene Sachverständigen bezeichnen, die in der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen sind. Andere Personen dürfen auf eine gerichtliche Bestellung als Sachverständige nur im unmittelbaren Zusammenhang mit jenem Verfahren hinweisen, in dem sie bestellt sind. Jedes Verhalten, das geeignet ist, die Berechtigung zur Führung dieser Bezeichnung vorzutäuschen, ist untersagt.
Die unberechtigte Führung oder die Vortäuschung der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung wird grundsätzlich als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 10.000 € bestraft (§ 14b Abs 2).